Andreas Kuhnlein schält nicht heraus mit Hohleisen, Klöpfel und Schnitzmesser, vielmehr bearbeitet er das Holz mit der Motorsäge, womit er Vorsprünge, Schnitte, Zerkleinerungen oder Maserungen im und am Hartholz zeigen kann. Im Unterschied zu polychromen Skulpturen des Expressionismus oder zu Arbeiten heutiger Künstlerkollegen bei denen die Farbschattierungen des Holzes zumindest partiell übermalt oder verschleiert worden waren, belässt er „sein“ Holz-sei es aus Ulme, sei es aus Eiche- bei seiner natürlichen Struktur und Konsistenz.
Er bedient sich letztlich der natürlichen Eigenschaft des Materials und betrachtet diese auch als wesentliche Komponenten seiner ästhetischen Aussage. Doch der Bildhauer setzt dieser Naturwirklichkeit seine Kunstwirklichkeit entgegen, die von großer Eigenständigkeit geprägt ist. Kräftig und auch bewusst ruppig gestaltet er seine Menschenbilder, womit dem Betrachter die Wechselwirkung zwischen Volumen und Raum sinnfälliger erscheint. Das Ein-, Auf- und Unterschneiden des Holzes zerklüftet und entmaterialisiert tendenziell den einstigen Block.
Andreas Kuhnleins Holzskulpturen entspringen nicht nur den Bedingungen des Materials und der handwerklichen Technik, sondern auch den Gesetzen seines Formsehens und letztlich der Spontanität seiner Inspirationen. Diese Bedingungen stehen einerseits für die Widerstandsfähigkeit des Holzkerns, andererseits für die Verletzlichkeit im metaphorischen Sinne. Ein fast mythisches Element von Kampf, Duldung, Ertragen, Wachstum und Durchsetzungskraft zieht sich durch sein Werk nach 1995.